Man mag es kaum glauben, denn bis dato hieß es immer, dass man Schulden vermeiden sollte, denn sie stellen eine finanzielle Belastung dar. Nun aber haben wir aufgrund der Corona-Effekte auf die globale Wirtschaft einen Effekt, der dieses Bild umdreht, denn derzeit bekommt man Geld fürs leihen von Geld. Klingt absurd? Mag sein – ist aber Realität. Und das gilt momentan bei Ratenkrediten. Denn im Juli lag der mittlere Zinssatz zahlreicher, im Markt angebotenen Ratenkredite klar unterhalb der Inflationsrate.
An Schulden verdienen – der Faktor „Realzins“
Hintergrund für dieses „Phänomen“? Der sogenannte Realzins – eine Kennziffer, die bis dato eigentlich niemand so wirklich auf dem Schirm hat (Wirtschafts- und Finanzexperten mal ausgenommen). Aber der Realzins ist eine wichtige, von vielen Konsumenten jedoch oftmals unterschätzte Größe bei der Zinsberechnung. Er ergibt sich in der vereinfachten Form wie folgt:
Realzins = Nominalzins - Inflationsrate
Dabei ist der Nominalzins der mit der Bank vereinbarte Zinssatz für einen Kredit beziehungsweise der Zinssatz, der von Banken für Anlagen wie Tages- oder Festgeld ausgewiesen wird. Entsprechende Auswertungen zahlreicher Kredit- und Finanz-Portale betrug der mittlere Zinssatz für Ratenkredite im Juli 2,99 Prozent.
Das ergibt bei einer Inflationsrate von 3,8 Prozent im vergangenen Monat einen Realzins von minus 0,8 Prozent. Mit anderen Worten: Wenn man den Kaufkraftverlust der Schulden durch die Inflation berücksichtigt, müssen Kreditnehmer weniger zurückzahlen als sie erhalten haben. Sie verdienen also mit dem Schuldenmachen Geld.
Moment-Aufnahme oder Dauer-Erscheinung: Wie lange kann man mit Schulden Geld machen?
Doch handelt es sich beim negativen Realzins für Ratenkredite um einen nachhaltigen Trend oder nur um eine Momentaufnahme? Ein Punkt der Rechnung ist unter Ökonomen jedenfalls relativ unstrittig: Dem Marktkonsens zufolge dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins noch für sehr lange Zeit auf dem Rekordtief von null Prozent belassen. Zu groß ist die Angst der Notenbanker, zu früh zu reagieren und damit die sich erholende Konjunktur schlagartig abzuwürgen.
So rechnen zahlreiche Experten damit, dass der Juli nicht der letzte Monat mit negativen Realzinsen gewesen sein wird. Nach deren Auffassung werden die Zinsen für Ratenkredite auch weiterhin sehr niedrig bleiben. So könnte sich im Laufe der nächsten Monate der Trend von steigenden Inflationsraten sogar noch verstärken.
Aber es gibt auf Seiten der EZB auch Zweifel and diesen Aussagen. Hier scheiden sich also bei der zukünftigen Entwicklung der Inflationsrate durchaus die Geister. Nicht wenige Ökonomen sehen in der aktuellen Situation eher ein zeitlich eng begrenztes Phänomen. Dieser Interpretation hängen etwa die Notenbanker um EZB-Chefin Christine Lagarde an. Nach der jüngsten EZB-Sitzung im Juli hielt Lagarde fest: Die Inflationsrate sei "vorübergehend moderat über dem Zielwert" von zwei Prozent.
Was bleibt als Rat für Kreditnehmer?
Unterm Strich bleibt für Kreditnehmer: Das Thema steigender Inflationsraten ist zumindest mal mit einem durchaus kritischen Auge zu betrachten. Kreditnehmer sollten dies bei der Wahl ihrer Kredite und vor allem die Laufzeit berücksichtigen. Denn sinkt die Inflationsrate über die Laufzeit des Kredits, so dürfte der Realzins rasch wieder in den positiven Bereich springen. Gerade bei Krediten mit längeren Laufzeiten wächst damit das Risiko.
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